Wie sich die Herausforderungen in der Lieferkette in Deutschland auf die Automobilproduktion auswirken
Die deutsche Automobilindustrie kämpft seit Jahren mit massiven Lieferkettenstörungen – doch 2025 hat sich die Situation weiter zugespitzt. Trotz eines kurzfristigen Produktionsanstiegs auf 340.800 Fahrzeuge im Januar 2025 zeigt die langfristige Prognose ein düsteres Bild: Bis 2027 wird die Produktion voraussichtlich auf unter 230.000 Einheiten pro Monat sinken. Hinter diesen Zahlen verbergen sich strukturelle Probleme, die von Fachkräftemangel bis hin zu geopolitischen Risiken reichen.
1. Die Transformation zur E-Mobilität: Ein Wettlauf gegen die Zeit
Der Umstieg auf Elektrofahrzeuge belastet die Lieferketten gleich mehrfach:
Herausforderung | Auswirkung auf die Produktion |
Abhängigkeit von Batteriezellen | Verzögerungen bei 65 % der E-Auto-Projekte |
Rohstoffknappheit | Lithium- und Kobaltkosten steigen um 120 % seit 2022 |
Infrastrukturlücken | Nur 45 % der geplanten Ladesäulen bis 2025 installiert |
China kontrolliert 80 % der globalen Batterieproduktion, was europäische Hersteller in eine Abhängigkeit zwingt. Mittelständische Zulieferer wie Gießereien oder Mechanik-Spezialisten verlieren durch die Elektrifizierung ganze Geschäftsfelder – über 30.000 Arbeitsplätze stehen bis 2026 auf der Kippe.
2. Halbleitermangel: Eine Dauerbaustelle
Obwohl die Chip-Krise offiziell als überwunden gilt, zeigen aktuelle Daten:
- 58 % der Automobil-CFOs erwarten Lieferengpässe bis mindestens 2026
- Durchschnittliche Lieferzeit für Automotive-Chips: 22 Wochen (Vorkrisenniveau: 12 Wochen)
- Jedes dritte Fahrzeug benötigt Nachrüstungen wegen fehlender Elektronik
Die Folgen sind konkret: Volkswagen musste 2024 über 150.000 Fahrzeuge unvollständig ausliefern, während BMW Produktionslinien für Verbrenner stilllegte, um Chips für E-Modelle umzuwidmen.
3. Geopolitische Risiken: Der China-Faktor
Der Handelskonflikt zwischen der EU und China entwickelt sich zum Existenzrisiko:
Szenario | Prognostizierter Produktionsausfall |
EU-Zölle auf China-E-Autos | 12-18 % Preisanstieg für europäische Hersteller |
Chinesische Retorsionszölle | Bedrohung für 40 % des deutschen Autoexports |
Lieferstopp seltener Erden | 90 % der deutschen Batterieproduktion betroffen |
„Die Marktmacht Chinas bei Batterierohstoffen ist absolut. Ein Lieferstopp würde unsere Produktion binnen Wochen lahmlegen“, warnt Prof. Dr. Karsten Kieckhäfer von der FernUniversität Hagen.
4. Fachkräftemangel: Die unterschätzte Krise
Während über Technologie diskutiert wird, fehlen an der Basis die Arbeitskräfte:
- 71 % der Unternehmen nennen Fachkräftemangel als größtes Lieferkettenrisiko
- 58 % der TIER2-Zulieferer können Nachtschichten nicht besetzen
- Durchschnittsalter in der Kfz-Mechanik: 49 Jahre
Besonders betroffen sind Nischenbereiche wie die Wärmebehandlung von Metallteilen – hier melden 83 % der Betriebe Personallücken.
5. Bürokratie und Regulierung: Innovationsbremse statt Förderung
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verschärft die Lage:
- 75 % der Unternehmen sehen regulatorische Anforderungen als Hauptrisiko
- Durchschnittliche Compliance-Kosten: 480.000 € pro Jahr (Mittelstand)
- 62 % der Zulieferer berichten von Auftragsverlusten durch Dokumentationslücken
Gleichzeitig behindern veraltete Genehmigungsverfahren den Infrastrukturausbau – der Bau einer neuen Batteriefabrik dauert in Deutschland 43 % länger als in den USA.
Lösungsansätze: Was jetzt getan werden muss
- Politische Maßnahmen
- Sofortiges Moratorium für neue EU-Regulierungen
- Subventionen für lokale Batteriezellfabriken
- Beschleunigte Genehmigungsverfahren für Rohstoffprojekte
- Unternehmensstrategien
- Digitale Lieferkettenplattformen (Nutzung aktuell bei 28 % der Betriebe)
- Roboter- und KI-Einsatz in der Lagerlogistik (Potenzial: 37 % Kostensenkung)
- Diversifizierung der Bezugsquellen (nur 15 % haben China-Alternativen)
- Branchenkooperation
- Gemeinsame Einkaufsallianzen für Halbleiter
- Ausbildungsverbünde gegen Fachkräftemangel
- Open-Source-Entwicklung bei Fahrzeugsoftware
Fazit
Die deutsche Automobilindustrie steht am Scheideweg: Während die Produktionszahlen kurzfristig schwanken, entscheidet sich bis 2027, ob der Standort Deutschland im globalen Wettbewerb bestehen kann. Ohne radikale Vereinfachung von Lieferketten, massive Investitionen in Rohstoffsicherheit und eine Entlastung bei Bürokratie droht der Abstieg zur technologischen Randnotiz.